pavoon – Konzertbericht von 2008

pavoon Konzert Hildesheim 03

 

Ein Konzertbericht zu pavoon. Das Duo unternahm 2008 seine erste Tournee in Deutschland.

Zwischen Himmel und Erde

Oona & Pavel Fajt bei „Bluemoon“ in der Kulturfabrik Löseke

VON GABRIEL RYUSHI NAKAJIMA 

Musik ist ein dialektisches Thema. Zum einen wird die Musiktheorie gerne mit Mathematik verglichen und weist entsprechend klare Regeln auf. Zum anderen spielen weniger greifbare Dinge eine große Rolle, wie Stimmung, Gefühl und kosmische Energie. Damit spannt Musik einen Bogen zwischen Wissenschaft und Kunst und im Falle von Oona & Pavel Fajt zwischen Transzendenz und Erdung. Musikduos gibt es viele, die Kombination aus Schlagzeug und Gesang bzw. Piano ist da schon etwas ungewöhnlich.

 

Allerdings ist bei Pavel Fajt Schlagzeug nicht gleich Schlagzeug und bei Oona Kastner Gesang nicht gleich Gesang. Was die beiden auf die Bühne bringen ist schon was Besonderes. Bei den ersten Lauten von Oona kommt die leise Befürchtung auf, sich auf einen vor Esoterik triefenden Abend einstellen zu müssen, aber es wird schnell klar, dass weit mehr dahinter steckt. Die – zwar ohne Frage vorhandene – esoterische Komponente verliert nie ganz die Bodenhaftung und wenn Oona mal Tendenzen zeigt, einige Zentimeter vom Boden abzuheben, ist da immer noch Pavel, der als sicherer Anker für die Erdung sorgt.

 

Aber auch er kann „schweben“, dafür sorgt ein sehr interessantes selbstgebautes Instrument neben seinem Schlagzeug, das rein optisch ein wenig an einen Traumfänger erinnert. Über einem Eisenring sind Basssaiten und Spiralfedern gespannt, dazu sind drei Metallstäbe an den Rahmen geschweißt, die in unterschiedlichen Tönen erklingen. Das Ganze wird mit Tonabnehmern abgenommen und wandert bei Bedarf durch Effekte und eine Loopstation.

 

Auf diese Weise schichtet Pavel rhythmische Klangteppiche übereinander, die so kein Synthesizer hinbekommt und über die er dann sein oft polyrhythmisches Schlagzeugspiel legt. Dabei benutzt er neben normalen Stöcken auch Filzschlegel und Plastikrohre und erzeugt mit großer Dynamik donnernde Klanggewitter mit Bassdrum, den tonal gestimmten Toms und krachenden Becken oder dezente Herztöne und sphärische Beckenwirbel. So erstaunlich die Klangvielfalt von Pavels Schlagwerk und Elektronik ist, so unglaublich ist das, was Oona mit ihrer Stimme vollbringt. Es gibt eigentlich keine Facette der menschlichen Stimme, die sie nicht auslotet.

 

Ob rauchig tiefer Alt oder glockenklarer Sopran, ob aus voller Brust oder sanft gehaucht, die Bandbreite reicht von ganz unten nach ganz oben und von intim bis fast schon ordinär. Wenn sie geschickt die Klangfarbe ihrer Stimme moduliert, erinnert sie ein wenig an Alison Goldfrapp. Oonas musikalischer Background baut zwar offensichtlich auf einer klassischen Musikausbildung auf, was auch in ihrem wunderbaren und relativ minimalistischen Klavierspiel durchklingt, doch ihr musikalischer Horizont geht weit über diesen Tellerrand hinaus. So erklingen auch indisch anmutende Phrasierungen in ihrem Gesang.

 

Einen deutlich performativen Charakter bekommt das Ganze, als Oona die fantasievolle Geschichte einer kleinen Flamme beschreibt, die nicht ruhmlos auf einer Kerze dahinscheiden möchte, und deshalb beschließt, nach und nach alles um sich herum zu verzehren, bis sie sich infernalisch die ganze Welt einverleibt. Dabei windet sich Oona wie eine züngelnde Flamme und verleiht ihr eine Stimme, die ziemlich authentisch nach Gollum klingt. Die Verfilmung von Tolkiens „Herr der Ringe“ scheint eine inspirierende Quelle gewesen zu sein, denn eine weitere Fantasie beschreibt eine Welle, die ebenfalls bestrebt ist, die Weltherrschaft an sich zu reißen und erhält dafür die Stimme eines Nazgûl – das alles ohne Einsatz klangverfremdender Effekte, wirklich erstaunlich.

 

Wenn den einen oder anderen Zuhörer die Attribute „avantgardistisch“ und „experimentell“ in der Ankündigung abgeschreckt haben sollten, so dürften die wenigen, die dieses Konzert in der Kulturfabrik Löseke live erlebt haben, mit Faszination und dem guten Gefühl einer neuen Klangerfahrung den Heimweg angetreten haben.

Aus: Hildesheimer Allgemeine Zeitung vom 31.3.2008